Montag, 25. Juli 2011

Statistismus und Biologismus

Heute möchte ich von seltsamen Zeitgenossen berichten, von Menschen, die alles das, was sie vom Menschen wissen, in der Zeitung gelesen haben.

Die Wissenschaftsseiten der Zeitungen schreiben ja recht häufig über die Erfolge von Wissenschaftlern. Sehr oft handelt es sich dabei um statistische Studien. Die beweisen zum Beispiel, daß man von Schokolade Pickel bekommt, der Storch die Kinder bringt und vieles mehr. Daß man statistische Korrelation und kausalen Zusammenhang aber so leicht verwechselt! Einen kleinen Teil der Probleme, die wissenschaftliche Studien beim unbedarften Leser anrichten können, kann man u.a. hier nachlesen. Ziemlich viel Unfug kann man mit wissenschaftlichen Studien treiben, denn sie gelten als unwiderlegbar. Das sind sie natürlich, aber nur, wenn man sie richtig interpretiert, und sich nach den kausalen Zusammenhängen erkundigt, die den statistischen Korrelationen zugrundeliegen. So kann man tatsächlich statistisch nachweisen, daß Störche die Kinder bringen, weil beide bevorzugt im Frühjahr erscheinen. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Erscheinen der Störche und dem Erscheinen der Kinder gibt es natürlich nicht. Wenn die Zeitung aber über eine wissenschaftliche Studie berichten würde, die einen statistischen Zusammenhang zwischen dem Erscheinen der Störche und dem Erscheinen der Kinder belegte, dann würden Zeitungsleser tatsächlich glauben, daß die Störche die Kinder brächten. So kann man Zeitungsleser dahin bringen, dummes Zeug zu glauben, und dabei bei der Wahrheit bleiben. So funktioniert Sarrazins Propaganda. So etwas nenne ich Statistismus. Das ist bewußtes oder unbewußtes Täuschen mit Statistik. Sarrazin verbittet sich jeden Einspruch, da doch seine Argumentation angeblich wissenschaftlich untermauert wäre. Das hier dargestellte Problem vernachlässige ich jetzt mal.

Diesen Begriff "Statistismus" habe ich mir ausgedacht, genau wie den Begriff "grüner Matriarchalismus". Ich denke mir gern Begriffe aus. Meine neueste Wortschöpfung habe ich analog zum Begriff "Biologismus" gebildet. Biologie gehört genau wie Statistik zu den exakten Wissenschaften. Ihre Gründe sind unwiderlegbar. Ihre Schlußfolgerungen aber sind häufig falsch. Somit kann man auch mit Biologie Zeitungsleser täuschen und indoktrinieren. Davon berichtet u.a. hier Antje Schrupp.

Die Biologie sagt: Menschen sind Affen. Menschen und Affen haben gemeinsame Vorfahren. Menschen haben vieles mit Affen gemein. Deshalb werden Affen gern als Modell zu Tierversuchen und zur Erörterung menschlichen Verhaltens herangezogen. So weit ist alles richtig. Verkehrt wird Biologie, wenn man die Unterschiede vernachlässigt. Menschen sind die einzigen Affen, die sprechen und denken können. Theodosius Dobzhansky meinte: "Nichts hat in der Biologie Sinn, außer man betrachtet es im Lichte der Evolution". Ich hoffe, ich zitiere Ferdinand Knauß richtig. Welchen Sinn hat Sprache und Denken? Die für Menschen so typischen menschlichen Gesellschaften benötigen den Verstand und Sprache. Menschen pflücken nicht das, was sie zum Leben benötigen, einfach vom Baum, wie es Affen tun würden. Menschen sind auf die Gesellschaft dringend angewiesen, weil, das, was Menschen benötigen, von der Gesellschaft produziert werden muß. Ohne die arbeitsteilige Wirtschaft könnten Menschen in Deutschland nicht überleben. Damit menschliche Gesellschaft funktionieren kann, sind die Menschen mit Gewissen und sozialen Bedürfnissen ausgestattet. Diese menschliche Gesellschaft bildet neben der biologischen Bewegungsform eine eigene Bewegungsform. Menschen haben sich im Laufe der Evolution aus einfacheren Lebewesen entwickelt. Daneben entwickelt sich auch die menschliche Gesellschaft von niederen zu höheren Formen, von der Gesellschaft der Jäger und Sammler zum modernen Industriekapitalismus.

Biologismus bedeutet, diese gesellschaftliche Entwicklung nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Das falsche Dilemma "nature vs. nurture", vgl. Christian, ist eine Ausprägung dieser Ignoranz. Biologismus beruht also nicht auf Biologie sondern auf Ignoranz. Biologismus ist es, wenn man Patriarchat nicht als ökonomische Kategorie versteht, und nur biologische Gründe im Geschlechterdiskurs akzeptiert, weil man von menschlicher Gesellschaft nichts wissen will. Biologismus ist es auch, die Schlechtigkeit der Welt mit der Herrschaft eines genetisch minderwertigen Geschlechts zu erklären. Biologistisch ist natürlich auch Sozialdarwinismus, also die Auffassung, daß Bürger sozial schwach seien, weil sie die Sozialschwäche vererbt hätten, und physisch ausgerottet gehören. Natürlich gehören auch die Rassentheorien zu biologistischen Scheinargumentationen.

Biologismus hat schwerwiegende Folgen, wie wir sehen. Man kann verstehen, daß Menschen auf statististische und biologistische Argumente böse reagieren. Leider nützen Affekte in Diskussionen nicht viel. So wappne ich mich mit Vernunft gegen die Angriffe gegen mich bekennenden Gutmenschen und hoffe, daß dieser Blogpost dabei behilflich ist.

Mittwoch, 20. Juli 2011

Nadine

Eben erst sprach ich von dichotomischen Weltbildern, von Bürgern, die sich in den Widerstreit mit der bürgerlichen Gesellschaft stellen, der sie selbst angehören, und von der sie geschädigt werden. Da bricht der Streit um eine typische Wortmeldung der Bloggerin Nadine los. Wieder einmal beklagt sie sich über den alltäglichen Sexismus und Antifeminismus in den Massenmedien. Wie so oft bringt sie auch ihre Meinung zu den jüngsten in den Medien breit diskutierten Strafprozessen um diverse Sexualdelikte vor, bei denen Prominente verdächtigt werden. Doch diesmal tritt der bekannte Blogger Udo dazwischen. Der Rechtsstaat binde die Staatsmacht an das Recht, belehrt Udo Nadine. Er unterstellt dabei, daß Nadine den Rechtsstaat aufheben möchte, nur damit die Feministen ganz allein darüber befinden, wer sich Sexualstraftaten schuldig gemacht hat.

Davon, daß Nadine den Rechtsstaat abschaffen möchte, steht in ihrem Artikel allerdings nichts (bitte nachlesen!). Nur die abwertende Bezeichnung Rotz für Rechtsstaatlichkeit deutet darauf hin, daß Nadine nicht viel vom Rechtsstaatsprinzip hält. Richtig schräg ist auch Nadines Bemerkung, daß dieser "Rotz" von mächtigen weißen Männern erfunden worden sei, um ihren Besitzstand zu wahren. Das delegitimiert die Idee des Rechtsstaates. Dadurch, daß Nadine eine unehrenhafte Begründung für das Rechtsstaatlichkeitsprinzip unterstellt, nämlich ungerechtfertigte Privilegien, d.h. "Besitzstände", verteidigen zu wollen, bestreitet man unausgesprochen die höchst ehrenwerte Begründung, den Bürger vor der Willkür des Staates beschützen zu wollen. Aber das kann an Nadines Unbedachtsamkeit liegen. Eine Forderung, den Rechtsstaat abschaffen zu wollen, bedeutet das nicht. Denn auch, wenn ich sagen würde, die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann sei eine von weißen, privilegierten Frauen erfundene Idee (stimmt das?), um ihnen Besitzstände zukommen zu lassen, dann hieße das nicht, daß ich diese Gleichberechtigung gern abgeschafft sehen möchte. Eigentlich beklagt sich Nadine nur über den Mißbrauch des Rechtsstaates.

Wie kommt Udo nur darauf, daß Nadine das Rechtsstaatsprinzip abschaffen möchte? Na, das ergibt sich doch aus dem Kontext, der stillen Übereinkunft zwischen Autor und Leser! Udo weiß nämlich, daß eine Sache nämlich von Feministen schon deshalb für schlecht befunden wird, wenn sie von Männern erfunden wurde. Außerdem weiß Udo, daß Feministen Menschen schon deshalb für mächtig und privilegiert halten, wenn sie weiß, heterosexuell und männlich sind. Das ist die heteronormative Matrix der Frau Butler, einer Heiligen des Feminismus, der man nicht widersprechen darf. Und weil weiße, männliche Heterosexuelle über so sagenhaft viel Macht verfügten, erfänden sie hehre Prinzipien zu dem einzigen Zweck, um ihre Besitzstände zu wahren. Ist doch logisch! Das ist doch die naheliegendste Begründung, die Benachteiligung der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft zu erklären! Da Feministen immerhin noch wissen, daß die bürgerliche Gesellschaft den Frauen Probleme bereitet, der heilige poststrukturalistische Obskurantismus die Feministen aber davon abhält, die Mechanismen ebendieser bürgerlichen Gesellschaft verstehen zu wollen, greift man lieber das an, was in ebendieser bürgerlichen Gesellschaft als hoch und heilig, und als deren geistig-moralisches Fundament gilt, also Aufklärung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte. Nadine weigert sich allein aufgrund dieses poststrukturalistischen Obskurantismus anzuerkennen, daß es gesellschaftliche Verhältnisse sind, die Ungleichheit bewirken, die rein objektiver materieller Natur sind und kein bloßes sprachliches Konstrukt darstellen. Nadines Polemik gegen Tove Soiland (hier ca. einstündiger, durchaus interessanter Vortrag zum Thema von ihr) belegt das. Wenn man aber von objektiven gesellschaftlichen Verhältnissen nichts wissen will, und sie immerzu nur dekonstruiert, bleibt nur noch die persönliche Verantwortung der Bürger, d.h. gewöhnliche stinkigte Moral als Erklärungsansatz, um die Ungerechtigkeiten dieser Welt zu erklären. Wer aber ausschließlich moralisch urteilt, sucht Schuldige. An beklagenswerten Zuständen muß irgendjemand schuld sein. So geht Moral. Vor diesem Hintergrund bedeutet die heteronormative Matrix eine pauschale Schuldzuweisung an weiße, heterosexuelle Männer. Verbindet sich dieser Glaube dann auch noch mit älteren feministischen Ansätzen, dann wird daraus leicht fanatische Männerfeindlichkeit. Christian stellt hier eine Form von Verblendung vor, die wohl von Susan Brownmiller angerichtet worden sein könnte.
2. Vergewaltigung als Machtinstrument

Die zweite Auffassung folgt poststrukturalistischen Ansätzen und ordnet die Vergewaltigung in einen Machtkampf zwischen den Gruppen Mann und Frau ein. Dabei ist die Vergewaltigung ein Mittel der Gruppe Mann um Macht über die Gruppe Frau zu erlangen. Dazu errichtet sie eine Kultur, aus der heraus der Einsatz dieser Machtmittel wahrscheinlicher erfolgt, eben indem die Sexualität der Gruppe Frau eingeschränkt wird und die Frau innerhalb dieser Machtgruppe als ein Objekt der sexuellen Befriedigung dargestellt wird. Aus diesen Sichtweisen heraus begeht der Täter dann die Vergewaltigung und setzt damit gleichzeitig genau das um, was die Gruppe Mann (oder deren Anführer im Sinne einer hegemonialen Männlichkeit) benötigt um sein Machtmittel aufrechtzuerhalten.

Der effektivste Weg zur Reduzierung oder gar Beseitigung von Vergewaltigungen ist damit eine gesellschaftliche Beeinflussung, die sich gegen die damit verbundenen Machtstrukturen richtet, also gegen hegemoniale Männlichkeit bzw. das Patriarchat oder die Phallokratie. Dazu ist es erforderlich das Machtmittel zu erkennen und als solches unwirksam zu machen. Dazu gehört dann eben auch, dass eine Vergewaltigung stets geandet wird, aber auch eine Umerziehung der potentiellen Täter, nämlich der Männer, indem sie Lernen die Strukturen, die die Vergewaltigungskultur bilden, effektiv und gerade auch bei sich selbst zu bekämpfen. Da die Vergewaltigung ein Machtmittel ist erscheint auch zugleich jede Maßnahme, die eine Nichtbestraftung eines Täters zur Folge hat, als weiteres Machtmittel zur Absicherung des anderen Machtmittels. Wenn das Rechtsstaatsprinzip also die Verurteilung von Vergewaltigern erschwert, dann muss er Teil des Machtapparats, also der Vergewaltigungskultur sein. Die Aufhebung dieses Prinzips für die Vergewaltigung verhindert in diesem Kontext andere Vergewaltigungen, weil es die Vergewaltigungskultur selbst bekämpft, die auf den Säulen „Erleichterung der Vergewaltigung durch Schaffen eines entsprechenden Klimas“ und „Nichtbestrafung der Vergewaltigung“ besteht. Im Rahmen der Gruppeninteressen der Frau kann das eh zu unrecht eingesetzte Machtmittel „Vergewaltigung“ eben nur durch eine Lockerung des Rechtsstaats bekämpft werden und das dabei einzelne Falschbeschuldiger auf der Strecke bleiben ist irrelevant, weil die andere Seite bei Einsatz des Machtmittels „Vergewaltigung“ auch keine Rücksicht auf die Opfer nimmt.

Hinweise gegenüber dem Opfer, doch bitte vorsichtig zu sein, sind vergleichbar damit, jemanden, dessen Kopf man regelmäßig unter Wasser drückt den guten Hinweis zu geben, doch bitte zu lernen länger die Luft anzuhalten.
Das nenne ich Bürgerkrieg. Hier wird der Mann zum Volksfeind, den es unschädlich zu machen gilt. Schön zu wissen, daß das Rechtsstaatlichkeitsprinzip als verbindlicher unumstößlicher Anspruch an die Rechtsspechung anerkannt ist!